Sonntag, 23. April 2017

Verantwortung für unsere Bedürftigkeit übernehmen





Die Mehrzahl der Menschen fühlt sich in irgendeiner Weise bedürftig. Auch ich spüre in einigen Bereichen meines Lebens Bedürftigkeit. Nach einem lieben Gefährten zum Beispiel, der meine Visionen teilt und an meiner Seite geht. Nach Menschen, die sich für die gleichen Themen interessieren wir ich, nach Menschen, die mich inspirieren, mich weiter bringen und begeistern, nach Menschen von denen ich lernen kann. Und wenn ich ganz lange darüber nachdenke fällt mir sicher noch einiges ein wonach ich bedürftig bin. By the way, es ist sehr aufschlussreich sich einmal die Zeit zu nehmen, nachzudenken und aufzuschreiben wonach wir bedürftig sind.

Bedürftigkeit entspringt einem inneren Mangel. Dieser Mangel trägt bei jedem von uns einen anderen Namen. Dem Einen mangelt es an Nähe, an Liebe, an Aufmerksamkeit und an Wärme, dem Anderen mangelt es an Bewunderung, an Zuwendung und an Lebensfreude, dem Anderen an Erfolg, Macht oder Geld.  

Was macht das mit uns, wenn wir einen Mangel verspüren? Was können wir tun?
Die Meisten denken über diese Fragen erst gar nicht nach. Sie wollen, das wonach sie bedürftig sind vom Anderen haben. Sehr viele Beziehungen basieren auf dieser Bedürftigkeit und der inneren Überzeugung, sich das beim Anderen zu besorgen zu können, was wir uns selbst nicht geben können. Besser, was wir glauben, uns selbst nicht geben zu können. Nun hat diese Strategie sich beim Anderen holen zu wollen, was man so nötig braucht einen ziemlich unseligen Aspekt: Die Anderen sind auch bedürftig. Die Anderen spüren auch einen Mangel. Sie fühlen genau das, was wir selbst fühlen und sie wollen genau das, was ihnen fehlt, auch von uns haben. So tun sich in den meisten Fällen zwei Bedürftige zusammen, die ihren inneren Mangel durch den Anderen füllen lassen wollen. Und schon sind wir bei den Erwartungshaltungen, die wie uns die Erfahrung immer wieder zeigt, in den meisten Fällen mit einer mehr oder weniger bitteren Enttäuschung endet.

Wenn ich zurückblicke auf einige Beziehungen, die ich in meinem Leben hatte, so muss ich mir eingestehen, dass ich sehr oft genau das beim Anderen gesucht habe, von dem ich mir selbst nicht vorstellen konnte, es mir zu geben. Und ich muss erkennen, dass ich immer wieder an Menschen geraten bin, die das mit mir genauso gemacht haben. Sie wollten etwas von mir, was sie sich selbst nicht geben konnten und sie beklagten nach einer Weile, dass ich es ihnen auch nicht geben konnte und umgekehrt habe ich es genaus gemacht.  Am Ende der Klage kamen die Vorwürfe und die Schuldzuweisungen und manchmal sogar Bitterkeit und Hass. Das war dann das Ende einer Illusion, die keiner von Beiden als solche erkannt hat.

Die Wahrheit ist nämlich: Wir finden beim Anderen nicht was wir brauchen. 
Wir finden es vielleicht für eine Weile. Am Anfang einer Liebesbeziehung bekommen wir die Zuwendung, die Wärme und die Aufmerksamkeit, nach der wir so bedürftig sind. Wir sind für den Anderen ein Faszinosum. Und er ist es für uns. Wir sind voller Energie, weil wir im Anderen das zu finden glauben, wonach wir so bedürftig sind. Wir fühlen uns voll, wo vorher eine emotionale Leere war und nennen uns glücklich. Das ist eine wundervolle Erfahrung. Ich bin für jede dieser Erfahrungen in meinem Leben dankbar. Und weil unser Herz so voll ist, denken wir: So soll es sein, so soll es bleiben. Aber irgendwann müssen wir erkennen, dass es nicht so bleibt. Denn jetzt kommt der entscheidende Punkt: Was passiert, wenn der Andere uns nicht mehr gibt, was wir brauchen? Was ist, wenn seine Faszination nachlässt oder die unsere? Was ist, wenn er seine Liebe zu uns verliert oder wir die Liebe zu ihm? Dann stehen wir da wie eine leere Hülle. Die Zuwendung des Anderen fällt weg und wir fühlen uns leer. Wir fallen emotional in ein tiefes schwarzes Loch. Wir stehen wieder alleine da mit unserer Bedürftigkeit und weit und breit ist da nichts, was diesen Mangel füllen kann.
Wir müssen erkennen, wir haben dort gesucht, wo das, was wir brauchen, nicht oder eben nur für eine Weile zu finden ist. Wir erkennen vielleicht sogar, dass die Liebe des Anderen eine Notwendigkeit war um uns voll zu machen und nicht, wie es sein sollte, ein Geschenk, das wir dankbar annehmen ohne mehr zu erwarten oder gar einzufordern, als der Andere zu geben hat. Wir haben uns getäuscht, aber nicht im Anderen, der sich in uns genauso getäuscht hat, wir haben uns getäuscht, was uns selbst angeht. Und wir haben einander getäuscht. Die Meisten von uns brauchen viele dieser Enttäuschungen um endlich zu begreifen, dass das, was sie erfüllt, das Herz, das sie wärmt, nicht bei anderen, sondern in ihnen selbst zu finden ist - und ist es dort nicht, ist es nirgendwo.

Bedürftigkeit ist immer ein Tauschgeschäft, verbunden mit der inneren Erwartungshaltung: Ich gebe dir und du gibst mir, was ich brauche und umgekehrt, du gibst mir, dann gebe ich dir.  
Nimmt der Andere sein Geben zurück nehmen wir unser Geben zurück. Den Wenigsten ist das bewusst. Sie verbringen ein ganzes Leben mit dieser Art von Tauschgeschäften mit wechselnden Partnern. Aber spätestens dann, wenn der Mangel wieder und wieder zu spüren ist, wird es offensichtlich: Die eigene Leere, die eigene Bedürftigkeit ist nur durch einen Menschen auf Dauer zu füllen und dieser Mensch sind wir selbst. Das was wir brauchen müssen wir lernen uns selbst zu verschaffen, sonst sind wir auf ewig Abhängige.  Wir leben fremdbestimmt von unserer Unfähigkeit die Fülle in uns selbst zu spüren. Aber sie ist da. Sie ist in jedem von uns. Nur -  solange wir uns nicht darum kümmern sie in uns lebendig werden zu lassen, leben wir ohne ein Gegenüber, das uns auffüllen soll, wie ein Vampir – blutleer und bedürftig nach dem warmen Blut der Anderen.

Aber was können wir tun, wenn wir uns dermaßen bedürftig fühlen? Was können wir tun um dieses um Zuwendung und Liebe kämpfen zu beenden?
Wir können uns eingestehen, wie bedürftig wir sind. Das ist der wichtigste Schritt: Die eigene Bedürftigkeit annehmen, akzeptieren, dass es so ist und dass es nichts Verwerfliches ist, aber etwas, was es in uns zu heilen gibt. Wir können all die schmerzlichen Gefühle, die unsere Bedürftigkeit in uns auslöst fließen lassen und uns unsere Trauer darüber aufrichtig eingestehen. Was uns das bringt? Es befreit uns vor immer neuen sinnlosen Versuchen andere zu benutzen, es bewahrt uns vor weiteren Enttäuschungen, es befreit uns von dem kindlichen Erwartung, dass Andere dazu da sind, unser Bedürftigkeit auszugleichen oder gar zu beenden. Damit übernehmen wir endlich die Verantwortung für uns selbst. Wir übernehmen die Verantwortung für unsere Bedürftigkeit. Wir lernen darauf zu verzichten, dass andere unseren inneren Mangel beheben und wir lernen auszuhalten, dass dieses Gefühl des Mangels schmerzt. Wir lernen es mit uns selbst auszuhalten. Wenn wir das aushalten können haben wir den entscheiden Schritt getan: Wir beginnen uns um uns selbst zu kümmern und uns selbst das zu geben, was wir so nötig brauchen. Und mit der Zeit wird uns geschenkt, was wir brauchen.

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