Freitag, 17. Februar 2017

Begegnung




Foto: AW

Er saß neben mir auf der Bank. Wie ich genoss er die ersten warmen Sonnenstrahlen in diesem Winter. Er rauchte eine selbstgedrehte Zigarette. Seine Kleider waren sauber, aber man sah ihnen an, dass er sie schon lange trug. Eine Bettlerin kam vorbei und bat um eine Gabe.
Ich habe auch nichts, sagte er, als sie ihm den Becher entgegen hielt.
Über die Bettlerin hinweg sah er mich aus stahlblauen Augen an: Wissen sie, das war mal anders. Es war alles anders, bevor ich den Nervenzusammenbruch hatte. Jetzt bin ich Fünfzig und lebe ich von Sozialhilfe. Ich bin Schreiner. Ich hatte eine Schreinerei. Aber dann haben sie meine Tochter entführt und das habe ich nicht verkraftet.
Das tut mir sehr leid, antwortete ich. Wie ging es aus mit ihrer Tochter, wie geht es ihr jetzt?
Sie haben sie mir wiedergegeben, sagte er. Sie ist mein Liebstes. Es geht ihr gut.
Mein Leben habe ich nicht wieder bekommen.
Ich hab das nicht mehr geschafft. Ich lebe jetzt von Sozialhilfe. Als Selbstständiger bekommen sie dann Sozialhilfe. Aber wissen sie, das Schlimme ist nicht, dass sie kein Geld mehr haben, das Schlimme ist, dass alle, die sich ihre Freunde nannten, dann weg sind.
Die Einsamkeit ist das Schlimmste.
Ich nickte: Ich verstehe sie gut.
Was machen sie denn den ganzen Tag, all die Tage allein?
Ich versuche es mit Selbstliebe, lächelte er.
Und wie machen sie das?
Ich geh angeln, ich bin viel in der Natur. Ich bin gut zu mir und ich verurteile mich nicht dafür, dass ich nicht mehr funktioniere.

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